Goodbye Hebei

Goodbye Hebei

Ich bin irgendwo im südlichen Teil der Provinz Hebei, ganz in der Nähe der Stadt Shijiazhuang. Die Bilder sprechen Bände wie trostlos die Landstraße die einzelnen Industriestädte verbindet. Es scheint, als würde einen hier nicht mehr als sengende Hitze erwarten. Doch in einer Vorstadt von Shijiazhuang namens Zhengding wird mir dringlich empfohlen, mir den Drehort einer der kulturell wichtigsten Buchverfilmungen anzusehen, dem “Traum der roten Kammer. 

4 Klassiker der chinesischen Literatur und “Der Traum der Roten Kammer”

Kaum bekannt in der westlichen Welt, gelten diese 4 Werke der chinesischen Literatur als Standardlektüre in China vergleichbar mit Goethe, Schiller und Lessing. Diese 4 Romane sind: Die Reise in den Westen, die Räuber vom Liang Shan Moor, Die Geschichte der Drei Reiche und Der Traum der Roten Kammer.  Die Werke stammen alle aus einer Zeit zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert und wurden dutzende Male verfilmt. Ich wage zu behaupten in ganz China niemand zu finden, der nicht mindestens eine dieser Geschichten kennt.
Der “jüngste” dieser Romane stammt aus dem 18. Jahrhundert von Cao Xueqing. Mit seinem Drama über die damalige Gesellschaft während der Qing Dynastie, eingebettet in ein Familienschicksal mit einer endlosen Zahl von Protagonisten wage ich zu behaupten, das Cao Xueqing als J.R.R.Tolkien wiedergeboren wurde. Der Drehort dieses Dramas scheint bei den chinesischen Besuchern Gefühle der Nostalgie zu hinterlassen, während ich mir vorkomme wie ein Kulturbanause, der diese berühmte Fernsehserie aus dem 1984 nie gesehen hat. Jemand Lust auf ne Runde Netflix?

Shijiazhuang

Groß, größer, Shijiazhuang. Auch wenn die Stadt in seinem eigenen Smog erstickt, wirkt die Stadt irgendwie aufgeräumt, auch wenn sich die verrosteten Fahrräder zuweilen an den Brückenpfeilern stapeln. Der besondere Service der Stadt Shijiazhuang ist also ein kostenloses Ersatzteillager. Ein anderes Phänomen ist übrigens die Marketingstrategie, mit denen Tür und Rolltorhersteller für ihre Produkte werben. Reklame wird hier direkt an den eigentlichen Produkten befestigt, nämlich an Rolltoren. Das nenne ich mal “Direktmarketing” in seiner puren Form. So wird aus ner langweiligen Tür fast schon ein buntes Kunstwerk.
Während einer Fahrt mit dem Uber lerne ich einen, sicher berufsbedingt, redseligen Psychotherapeuten kennen. Wir scherzen über die Idee China mit dem Fahrrad zu durchqueren. Ich bin froh, dass er mich an meinen gewünschten Zielort, dem Hebei Museum, und nicht gleich an seinen Arbeitsplatz brachte. 
Auf meinem Weg in die Stadt Handan bin ich ebenfalls auf den wahren “Bruder Yue” gestoßen. Auch wenn es in China keineswegs selten ist, jemanden mit gleichem Nachnamen zu treffen, der Nachname Yue gehört nicht zu einem der 20 häufigsten. Von einem WIldfremden auf der Straße angesprochen zu werden, der den gleichen Nachnamen trägt und zudem noch Mitglied im Fahrradverein von Handan ist, interpretiere ich also doch als Wink des Schicksals. Der echte “Bruder Yue”, dessen chinesischen Nachnamen ich mir aufgrund der klanglichen Ähnlichkeit zum “Jö” in Jörg lediglich geborgt habe, ist 10 Jahre älter und wohnt hier in der Stadt Handan. Ein klasse Typ, dieser Bruder Yue. Der andere Yue fährt weiter Richtung Süden, in eine andere Provinz.
Jörg

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.