Zu Gast bei Buryat Mongolen
Die Straße zieht sich wie eine Bahnschiene durch das Grasland. Eine Schiene, auf der ich jedoch fast keinen Meter nach vorne komme. Ich kämpfe gegen einen übermächtigen Gegner, der mein Rad mehrfach von der Straße abtreibt: Wind. Der inoffizielle Grassurfing Weltcup hat begonnen, bei dem ich nicht als Sieger hervorgehe und dennoch kämpfe wie ein Löwe. Vielleicht war es die schlechteste Entscheidung, an diesem Tag die Stadt von Hulunbuir zu verlassen. Mit einem großem Tuch könnte man hier vielleicht eine neue Sportart einführen: Grassegeln. Während meines Kampfes entscheiden sich zwei Schläuche das Handtuch zu werden. Während das Flicken an sich keine größeren Anstrengungen darstellt, erschweren die über die Weite ziehende Böen die Reparatur deutlich.
Nach ein paar Kilometern ein weiterer Halt. Beim Schlauch ist ebenfalls die Luft raus. Da langsam die Dämmerung einsetzt und ich nicht annähernd mein Tagespensum erreicht habe enscheide ich mich, in den Jurten in ein paar Kilometern Entfernung um Unterstand zu bitten, mein Zelt aufzustellen und mein Fahrrad an windgeschützter Stelle fit zu machen.
Als ich die Jurten erreichen, werde ich herzlich von einem Bauern begrüßt. Er gehört zur Minderheit der Buryat Mongolen und spricht nur gebrochenes Chinesisch. Dennoch kann ich ihm mein Anliegen klarmachen und er bittet mich mein Fahrrad in der Garage zu parken und im Haus Platz zu nehmen bis der Rest der Familie eintrifft. Als diese nach einer guten Stunde das Haus betritt, reagieren die stämmigen Mongolen auf den ausländischen Gast mit Gelassenheit. Zu meiner großen Verwunderung werde ich mit der Aufgabe betraut, auf das Haus aufzupassen, da die Oberhäupter ihren Sohn von den angrenzenden Weiden abholen. Ich soll mir doch eine Suppe kochen und mich wie zu Hause fühlen. Dankbar über so viel Vertrauen, nehme ich mich meinem dritten geplatzten Reifen an bis die Familie zurückkehrt. Der Abend ist gesellig, jedoch nur wenig von richtigen Unterhaltungen geprägt. Meine Russisch bzw. Buryatkenntnisse sind nicht existent und auf Chinesisch oder Englisch können sie wiederum nicht zurückgreifen. Wir erfreuen uns an einem Fotoalbum während wir uns mit Vodka zuprosten.
Nur so viel: Es laufen gerade die Hochzeitsvorbereitungen für den jüngsten Sohn im Alter von 23 Jahren. Eine Jurte soll für ihn und seine Zukünftige errichtet werden. Sie erzählen mir, wie sie von der Schaf- und Pferdezucht leben und im Sommer von den Einnahmen aus dem Tourismus leben. Dafür ständen auch so vielen Jurten vor dem Haus. Die Familie der Buryat Mongolen macht auf mich einen sehr ruhigen, strammen und robusten Eindruck. So, wie ich mir einen Mongolen immer vorgestellt habe. Groß, kräftig, pragmatisch aber sehr herzlich.
Die Familie besteht darauf, dass ich bei Ihnen auf der Couch nächtige. Bis zum nächsten Morgen 5 Uhr bin ich Gast der Familie, die dann ihre Herde erneut austreibt. Im Morgengrauen und noch etwas müde nehme ich erneut die Herausforderung an. Es geht zurück in den Wind.