Von Barhu, Busfahrern und fehlender Bildung
Wie der Titel schließen lässt, ist dies einer der etwas düstereren Posts im Vergleich zu den drolligen Possen, die sich sonst hier so finden. Von der Familie der Buryat Mongolen geht es weiter in das kleine Dorf von Bartu am Waldesrand, irgendwo zwischen den Städten Hulunbuir und Arxan. Bei diesem ganzen Radgefahre kommt man ja durch die unterschiedlichsten Orte. Großstädte, Bauerndörfer und solch kleine Klitschen wie eben Barhu. Und auf diesem Weg kreutzt man mitunter auch den unterschiedlichsten Menschen, was ja die Motivation zu dieser Reise war. Ich begegne den gastfreundlichsten Menschen Chinas, Leute die mein Vorhaben unterstützen und die Herausforderung wertschätzen. Und mitunter trifft man auch auf skeptische Gesichter. Einen ganz besonderen jedoch traf ich hier, in Barhu.
In so ziemlich dem einzigen Gästehaus komme ich bei einer mongolischen Lady mit entzückendem Lächeln und Kochkünsten unter, zusammen mit einem Busfahrer. Ein aufgeweckter Bursche mit viel Humor. Gemeinsam bereiten wir deftige Hausmannskost zu, essen nett zu Abend und unterhalten uns über das Dorfleben. Mit jedem Bier, dass die Kehle hinunterläuft, zeigt der Personenbeförderer mehr Enthusiasmus, die ab einer bestimmten Promillegrenze in Überheblichkeit ausartet.
Wenn jemand so viel zu erzählen hat, warum nicht gleich die brisanten Fragen stellen. Und so frage ich nach einem Interview, als der angeschwippste Busfahrer mit einer Handbewegung das folgende entgegnet:
Ich werde dir kein Interview geben. Ihr Ausländer habt doch eh keine Ahnung von China. Und selbst wenn ich dir ein Interview gäbe, du würdest es ja doch nicht verstehen. Ein Zeitverschwendung für uns beide. Geh zurück in die Vorlesung.
Das ganze gewürzt mit ein paar alten chinesischen Sprichwörten, um ein Exempel zu statuieren, dass der Ausländer wirklich nichts versteht. Es gibt also auch die Sorte Chinesen, die sich zu viel einbilden auf ihre Herkunft. Vergleiche mit den einzigen Aushängeausländer im chinesischen Fernsehen gebe ich mir nicht weiter und verabschiede mich höflich.
Wir Ausländer haben tatsächlich einiges nachzuholen, was das Verständnis über chinesischer Kultur betrifft. Die Sprache für ein Jahr zu lernen ist mit Sicherheit nicht ausreichend. Auch ein Sinologiestudium kann die chinesische Kultur nur anschneiden. Und dennoch ist es ein großer Schritt, der erste Impuls in eine komplett andere Kultur und Denkweise einzutauchen. Darum fühle sich jeder ermutigt, diesen Schritt zu wagen und dieses große Land mit seinen eigenen Augen zu sehen. Nur wer sich aus seinem bequemen Dunstkreis herausbewegt, kann Vorurteile durchbrechen. Hätte das mal einer dem Busfahrer eher gesagt.
Viele Ausländer sind aus rein wirtschafltichen Gründen in China und beklagen sich viel zu sehr über unnötige Dinge. Aber immer mehr kommen mit dem Wunsch, ein tieferes Verständnis von der chinesischen Philosophie und Denkweise zu entwickeln. Und das war der Grund dieser Reise, ansonsten könnte man sich ja bei Google Streetview durchklicken.
Diese Reise ist bedeutsam. Es sind Einsichten aus erster Hand aus der Perspektive der chinesischen Bevölkerung. Und der Busfahrer gehört mit seiner Meinung ebenso dazu. Eine Meinung, die zum Glück von der Mehrheit abweicht. Denn eine wichtige Methode des Lernens ist das Experiment und die Feldstudie, der einen Dialog zwischen dem Ausländer und dem Einheimischen herstellt. Ich glaube, dass in den nächsten Jahren viele Ausländer zu 中国通s, dem Ausdruck für Ausländer mit tiefgreifendem Wissen über China, heranwachsen. Und auf dem Weg ist es, neben Seminaren, auch kurzweilig mit dem Fahrrad durch die chinesische Pampa zu eiern, mit anderen Spaß zu haben und Gespräche zu führen. Ich danke auch dem Busfahrer, hat er mir doch gelernt: Lerne mehr!