Der König des Nordens…?

Der König des Nordens…?

Es ist der 26. April, Tag der Abfahrt. Ich habe verschlafen. Ja, ich gebe zu: Bis in den Morgen in der Karaokebar zu versacken hat auch Kehrseiten.

Ich wache mit nem dicken Schädel auf, nichts ist wirklich gepackt. Alles liegt wild verstreut im Raum. Daher werfe ich all meinen Kram in den Bagpack und nehme mir ein Taxi zum Bahnhof. Dort angekommen kaufe ich mir die größte Plastiktüte, die ich finden konnte. Ein halbes Zirkuszelt, worin ich bequem mein Fahrrad zusammengeklappt verstauen kann. Es ist Zeit, mich von meinen Freunden in Hangzhou zu verabschieden. Tränen fließen und es wird geschluchzt. Dann sitz ich auch schon im Zug auf dem Weg zur schwarzen Festung.

Im Zug können es die Fahrgäster kaum erwarten mit dem Laowai, so werden wir Ausländer von den Chinesen liebevoll genannt, zu sprechen. Dabei erregt natürlich mein Gepäck ebenso Aufsehen wie meine Hautfarbe. “Was ist denn da drin?”, fragt ein älterer Mann mit nordchinesischem Dialekt. “Ein Fahrrad”, antworte ich wahrheitsgemäß und zurück kommt ein Blick als hätte ich ihn gerollt. “Ich fahre in den Norden” (Die schwarze Festung habe ich verschwiegen). Das war das Stichwort. Die nächsten 20 Minuten erfahre ich von den fruchtbaren Schwarzerdeböden im Norden Chinas. Ein paar Momente später lerne ich einen Studenten aus Qiqihar kennen. Stunden vergehen in denen wir uns der Bedeutung von Kommunikation und der Flüchtlingskrise in Europa widmen. Wir spazieren durch den Zug bis in die Nacht, trinken Bier und essen: Reis.

27. und 28. April. Am nächsten Morgen, noch immer im Zug, lerne ich einen weiteren netten Typen aus Shenyang kennen. Falls ich irgendwann dort ankomme, soll ich mich melden. Ich willige ein, weiß aber nicht, ob ich jemals dort ankommen werde. Ich erreiche endlich die Stadt Harbin und suche sofort einen Outdoorshop auf bevor ich mir ein Hotel suche. Die Stadt ist superschön, russische Architektur, 8 spurige Straßenzüge. Die Menschen sind um ein vielfaches freundlicher als die Außentemperatur in Harbin. Als ich einem Restaurantbesitzer von meinem Plan erzähle kündigt auch er an, mir eine Portion zu spendieren, sollte ich jemals wieder kommen. Am nächsten Tag erreiche ich meinen Anschlusszug  nach Mohe schweißgebadet. Keiner konnte damit rechnen, dass ich nach Eintreffen im Bahnhof noch 30 Minuten durch die Hallen rennen muss. Zusammen mit hunderten von Menschen stürmen wir aufs Gleis und in den Zug an die russische Grenze.

Es ist der 29. April. Ich werde von den warmen Sonnenstrahlen bereits um 5 Uhr morgens geweckt, aber schon jetzt ist es taghell. Ein Blick aus dem Fenster lässt mir den Atem stocken. Wald. Nur Wald. Ich schaue stundenlang aus dem Fenster, spiele mit den Kids im Abteil, unterhalte mich mit meinen Mitfahrern über ihre Kinder und beantworte all ihre Fragen. (Sind alle Deutschen so klein? lol…) Nach 18 Stunden erreiche ich die Stadt Mohe und lasse mich mit einem Bus weiter zum nördlichsten Punkt Chinas bringen, das kleine Dorf Beiji. Ich bin aufgeregt. Werde ich hier dem Nachtkönig begegnen?

Liebe Grüße, Jörg

Eine Antwort

  1. James sagt:

    I hate you. Why didn’t you bring me?!?
    – lost Asian kid

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