Akt 1 “Qinghai See” gefolgt von Akt 2 “Mein Kampf – gegen die Uhr und gegen Rechts”

Akt 1 “Qinghai See” gefolgt von Akt 2 “Mein Kampf – gegen die Uhr und gegen Rechts”

Von dieser künstlerisch-spirituellen als auch feucht-fröhlich-wilden Ausfahrt in Tongren blieben mir leider nur noch weitere 3 Tage. Denn schließlich war es auch schon der 21. Juli, dass Rückfahrtticket schon gekauft und der künftige Besuch schon voller Vorfreude.

Also verließ ich meine indischen Freunde an dieser Stelle, die erst am nächsten Tag in den Genuss der rauschenden Zeremonie des tongren’schen Übermenschen kommen würden. Von da an gings für mich die letzten paar Tage allein durch die Wildnis. Ich dafür hatte im Bus zurück nach Xining die Gelegenheit einen kommerziellen Tangkha Maler treffen zu dürfen, der die Dinger im Akkord runtermalt, dabei das Beten auslässt und nicht gerade der Ärmste Tibeter ist, den ich getroffen hab.

Zurück in Xining war der erste Gang wieder zum Fresstempel meiner Träume, danach der Ticketschalter für den Bus nach Qinghai und zuletzt die Couch im Hostel (Bett war nicht mehr). Am nächsten Tag also zum Qinghai Lake. Fahrtdauer gütige 2 Stunden.

Der See zählt als einer der größten Seen Chinas, und wahrscheinlich auch zu den schönsten, beherbergt er auf einer eigenen Inselmannigfaltige Voglearten, deswegen auch spitzfindig Vogelinsel genannt. Das Panorama ziert der Qinghai-See mit einer unermesslichen Größe, (Achtung Ironie) also sogar noch größer als der Wannsee in Berlin. Den Vordergrund schmückt ein sonnengelber Blumenteppich, mit dem Kontrast zum tiefblauen Wasser wirkt es fast schon etwas zu unwirklich. Die Bordüre im Hintergrund stellt eine nur schemenhaft zu erahnende Bergkette.

 Das Alles kann man sehen, allerdings nur wenn es nicht gerade regnet. Die 4 Chinesen, die ich auf der Fahrt kennenlernte und mit denen ich eine Menge Spaß hatte, wirkten vom einsetzendem Regen wenig beeindruckt, so dass wir am Seeufer trotz der widrigen Verhältnisse picknickten und ich mein erstes Mal, nen Hühnerfuß zu essen, doch noch erleben durfte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Rückfahrt war nicht ganz legal, denn eigentlich durfte der Fahrer nicht einfach Handgeld annehmen um Anhalter mitzunehmen. Hat er aber. Netter Kerl 😉

Am letzten Abend in Xining wollt ich unbedingt nochmal die Skyline sehen, also rauf auf den höchsten Berg, begleitet von einem meinem chinesischen Gefährten. Für die Nacht entschied ich mich kein Hotel aufzusuchen, stattdessen die Nacht in einer Internetbar zu versurfen. Da das aber der chinesische Freund für so unsagbar gefährlich hielt, entschied er voller Fürsorge kurzerhand mit mir gemeinsam die Augen eckig zu daddeln. Dass mir dabei eine Geschichtsstunde der ganz besonderen Art bevorstand, wusste ich da noch nicht, sonst hätt ich mir nen Hotelzimmer doch vorgezogen. Die deutsche Staatsangehörigkeit auf die beiläufige Frage nach Nationalität, war dem Betreiber dieser Internetbuchte Grund genug, mich für den Rest des Abends mit seiner Leidenschaft; Hitler und Konsorten; auf Trab zu halten.

Das heißt, zuerst wurde mir Hitlers Lebenslauf vorgetragen, ohne Ablesen. Schnell wurde jedoch aus diesem eine doch sehr bizarre Lesung des ersten Kapitals aus „Mein Kampf“. Und das perfide dabei, in chinesischer Sprache jedoch mit nationalsozialistischer Mimik und doch sehr detailgetreuen Gesten. Es folgte eine komplette Auflistung hochrangiger Amtsträger. Goebbels, Göring, Dönitz, Rommel, Himmler, Heydrich werden mir dabei vorgestellt als wären es Nationalspieler einer Fußballmannschaft. Eine eigene chinesische Fansite für die „Roten Nazis“ wurde geschaffen. Wie stolz der Internetmensch da ist. Und ich mache ihm meinen Standpunkt klar, die damalige Situation, die heutige Ansicht. Und er hört nicht auf. Ich möchte ihn würgen…Die Zeit vergeht auch nicht schneller. Und ich versuche ihm klarzumachen, dass ich seine Ansichten in keinster Weise teile und ich auch ausdrücklich nicht die Buchverfilmung Hitlers mit ihm anschaue. Im Laufe der Nacht kommen noch vereinzelte Frage, die ich ihm geduldig beantworte. Mein chinesischer Gefährte konnte mir nicht groß aushelfen, wurde er doch selbst um 5 Uhr in den Schlaf „gepropagandiert“. Am nächsten Tag bestieg ich den Zug zurück nach Chengdu, und hatte endlich Zeit mich zu entspannen.

Dreieinhalb unvergesslich Wochen lagen also hinter mir. Turpans Hitze, Kashgars Wüste, mein Halbtot auf 4k+ Höhe, schier endlose Busfahrten sowie der Kontakt zur Tibetischen Kultur. Und noch so viele weitere Erlebnisse sollten folgen…

Jörg

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