Die Route 66 von China

Die Route 66 von China


Von dem kleinen Dorf in Barhu ist der nächste Stop auf der unendlichen Reise nach Süden die Stadt Wulanhot. Ursprünglich wollte ich von Hulunbuir direkt nach Westen über Qiqihar und Harbin fahren. Doch im Hostel wurde mir der Tipp gegeben, unbedingt einen Abstecher in die Stadt Arxan und der umliegenden Landschaft zu machen. Es solllte sich als ein himmlischer Rat herausstellen.

Im Sommer ist die Stadt Arxan ein Touristenmagnet für chinesische und russische Urlauber, die sich für viel Geld zu den oben gezeigten Naturschauplätzen kutschieren lassen. Im Frühjahr jedoch ist Arxan eine Geisterstadt. Die Straßen sind leergefegt, und betritt man ein Geschäft so hört man den Ladenbesitzer vor Schreck zusammenzucken, wenn jemand den Laden betritt. Alles neu, alles schick. Ist bloß niemand ist da.

Während der 9 Monate bereitet man sich auf das Vierteljahr Hardcore Tourismus vor, verrät man mir augenzwinkernd. Die Haupstraße säumen wuchtige Hotelanlagen, dutzende Restaurants und kleine Boutiquen sowie die obligatorischen Souvenirshops. Von den Einheimischen lebt keiner hier, sondern im Nebendorf, eine 20 minütige Busfahrt von Arxan. Das einzig historische Gebäude hier ist der Bahnhof, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts von den Japanern gebaut wurde. So unwirklich es hier auch sein mag, der menschleere Anblick Arxans bei Nacht hat seinen Reiz. Zusammen mit den wenigen Reisenden hier in der Geisterstadt war es durchaus ein kurzweiliges Vergnügen.

Die schönste Etappe der Tour de China

Es geht steil einen Berg empor, der an seinem Gipel atemberaubende Aussichten auf das Umland eröffnet. Nach all dem Flachland endlich eine Steigung. Danach folgt der Abstieg in ein Tal, wo kleine Flussläufe den Straßenrand der Landstraße S203 säumen und sich zu einem Fluss ausweiten, an dem ich des Öfteren raste. Die Temperaturen ziehen merklich an. Bevor der Abend anbricht, erklimme ich den zweiten Gipel der heutigen Etappe und erreiche erschöpft aber zufrieden das Dörfchen Mingshuihe, wo der Abend mit einem Eintopf gekrönt wird. Soweit war es eine der landschaftlich beeindruckendsten Fahrten seit dem Aufbruch.

Das bergige Terrain reißt auch hinter Mingshuihe nicht ab und so hält der nächste Morgen einen weiteren Anstieg bereit.  Auf dem Gipfel kurz mit einer Gruppe Bauarbeitern heraumgescherzt geht es steil bergab und wieder schnurstracks geradeaus, bis plötzlich das Unvorhergesehene passiert.

Ein paar Male gilt es, die Bahnschienen zu überqueren. In meinen Tagträumen verloren übersehe ich dabei einen Geschwindigkeitsbegrenzer, über den ich in voller Fahrt drüberbrettere und damit den Reifen vollends ins Nirvana schicke. Zum Glück ist das nächste Dorf nur einen längeren Fußmarsch entfernt. Natürlich gibt es in keinem der Tante Emma Läden einen passenden 18 Zoll Fahrradreifen und so nehme ich das Angebot von Bruder Bao an, den ich bei einer Schüssel Nudeln beim Mittagessen kennenlernte, mit ihm in die Großstadt Wulanhot zu trampen. Die richtigen Leuten zum richtigen Zeitpunkt zu treffen, diese glückliche Fügung wird in China auch als “Yuanfen” bezeichnet. Und ich glaube ja daran, dass Optimistismus und Neugier auf andere dieses Phänomen zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden lässt. An diesem Tag wurde ich also sowohl vom mongolischen Pechvogel also auch der Glücksfee besucht. 

Soweit, so gut, nachdem ich schneller als gedacht in der Stadt Wulanhot stehe, habe ich tatsächlich einen Reifen gefunden, der die Last meines drahtigen Gefährtens zu ertragen vermag. Einem erneuten Aufbruch stand demnach nichts im Wege. Aber zuvor, ein Lobgesand auf Bruder Bao und der Heimat des großen Dschinghis Khan, Wulanhot!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.