Xi’an – Mehr als nur Tonfiguren
Das Thema Zugfahren in China läuft, wie beschrieben, ein wenig anders als in Deutschland ab und kann zuweilen echt Frust bereiten. Das mussten auch meine deutschen Geschwister im Geiste Thomas und Marie feststellen, als 4 Tage vor geplanter Abfahrt sämtliche Tickets im Schlafabteil ausverkauft waren. Die einzige Möglichkeit somit Sitzplätze nach Xi’an. Joa, sitzen wir halt mal 14 Stunden über Nacht auf ner Bank, die gerade mal soviel Platz bereitet, das 3 Personen chinesischer Statur aufrecht nebeneinander sitzen können ohne sich dabei gegenseitig auf dem Schoß zu sitzen. Trotzdem kann man sich eine Übernachtfahrt komfortabler vorstellen. Aber wir hatten ja fantastische Begleitpersonen uns gegenüber sitzen, die mit viel Unterhaltungswert auftrumpfen konnten. Ein älterer Mann (65+) , Alfi, mit einem ungebrochenen Interesse für deutsche Tagebücher, die er nicht versteht, aber dennoch in unserer Abwesenheit gespannt zu entschlüsseln versucht. Sein charmantes Lächeln hat uns die Zugfahrt sehr erträglich gemacht.
Xi’an ist nicht jedermanns Geschmack. Genauer gesagt ist unter den Austauschstudenten die Begeisterung gegenüber der Stadt recht verhalten. Gut, sie mag super touristisch sein, schielend auf die überteuerten Tickets, die man fast für alles in Xi’an kaufen muss. Schön, dass wenigstens die Luft zum Atmen gebührenfrei war, angesichts der Luftverschmutzung wäre das aber auch keinen einzigen Yuan wert gewesen.
Trotz der kleinen Minuspunkte ist Xi’an aber alles andere als langweilig und tot, zumindest wenn es nach meiner subjektiven Meinung geht (und um die geht es hier auch, ist ja schließlich mein Blog hier) Überall zeigt sich, dass Xi’an Jahrhunderte lang Zentrum des alten Kaiserreichs war. Die Stadtgeschichte ist einfach beeindruckend. Die Sehenswürdigkeiten lassen die Stadt in einem ganz besonderem Licht erscheinen und versprühen ein „Chinaflair“, dass ich in meinen Reisen nur selten in einer Stadt so stark wie in Xi’an empfand. Mit einer kleinen Randbemerkung: Kenntnis über die Geschichte der Stadt ist unerlässlich um sie wirklich mit den richtigen Augen zu sehen. Wer eine ultramoderne, künstlich angelegte und anonyme Stadt sucht, wie sie in China zu Hauf zu finden sind, ist in Xi’an falsch. Die Stadt hat Charakter. 你们看看吧! / Guckt ihr hier!
Wir reden nicht von den überteuerten Stundenmietpreisen der Fahrräder und dem Ticket zum Aufstieg zur Stadtmauer. Das ist ärgerlich, aber einzig und allein der Nepp der ansässigen Abzocker, die jede noch so kleine Möglichkeit zum Geldmachen nutzen. Es ist jedoch nur ein kleines Haar in der Suppe, das der Stadt doch nur sehr wenig den Geschmack versalzt.
Wo wir schon beim Essen sind. Es schmeichelt dem Gaumen in selber Weise wie in den restlichen Provinzen auch. Nur wird hier Peperoni und Sichuan Pfeffer noch als Gewürz und weniger als Hauptbestandteil angesehen. Und es wird auffällig viel mit Nudeln anstelle von Reis gekocht.
Muslimisches Viertel
Das muslimische Viertel Xi’ans ist ne super Möglichkeit, viel Krimskrams für teuer zu kaufen. Wenn man aber handelt, kann man den Preis um ein vielfaches reduzieren. Wie z.B. einen Gürtel, der mir erst für 200 feilgeboten wurde und nach ein paar Minuten Smalltalk in meinen Besitz überging, für 20 Yuan. Zwei Mini-Hubschrauber mussten wir auch noch mitnehmen. Das Spielkind in uns wurde geweckt, rationale Überlegungen über Sinnhaftigkeit über Bord geworfen und stattdessen tausendmal gegenseitig versichert, dass „ich schon immer so einen Hubschrauben haben wollte“. Wir machen das hier aus Rücksicht auf Emotionen kurz: Einer der Hubschrauber ist uns nach 3 Tagen beim Austesten, wie hoch man eigentlich mit dem Ding fliegen kann, verlustig geworden. Wir werden nie wissen, ob es das Dach oder die Weiden in 30 Metern Höhe über uns waren, die dem jungen Freigeist zum Verhängnis wurde. Ruhe in Frieden!
Auf Terrakotta-Armee, Chinesisch 兵马俑 (= Soldaten und Pferdefiguren) genannt, ist eine gigantische Grabstätte zu Ehren des ersten Kaisers Qin Shi Huang. Qin Shi Huang vereinte große Teile des damals in viele Einzelreiche zerpflückte Land, stellte sie unter seine Herrschaft und gründete ein einziges Reich. Neben der Errichtung seines Mausoleums zu Lebzeiten fällt gleichzeitig der Beginn des Baus der Chinesischen Mauer in seiner Regierungszeit.
Entdeckt wurde die Grabstätte während Ausschachtungsarbeiten zum Brunnenbau in den frühen Siebziger Jahren im Dorf Xijiang im Norden der ehemaligen chinesischen Hauptstadt Xi‘an. Das gewaltige Ausmaß seiner Entdeckungen konnte der Bauer damals noch nicht im Geringsten erahnen. Denn insgesamt sind es tausende Terrakottafiguren, von denen bisher gut 8000 freigelegt wurden. Bemerkenswert dabei ist, dass jeder einzelne Terrakottakrieger ein individuelles Gesicht besitzt. Insgesamt beschäftigte dieses Mammutprojekt rund 700 000 Arbeiter und beanspruchte fast 40 Jahre Bauzeit.
Noch immer werden mehr als die bisher gefunden Krieger und Pferdefiguren im Erdboden vermutet, doch aus technischen Gründen wurde die Freilegung momentan verlangsamt. Denn eigentlich wurden die Tonfiguren damals bemalt doch leider verliert der Ton durch Luftkontakt seine Farbe und lässt die Terrakottaarmee grau aussehen. Genau aus diesen Gründen wurde die eigentliche Grabstätte des ersten Kaisers von Chinas immer noch nicht freigelegt wurde, sondern befindet sich immer noch unberührt unter dem Grabhügel. Ob und wann das Geheimnis um Qin Shi Huang gelüftet wird, steht bisher nicht fest.